Naturspiritualität
"Was ist der Mensch ohne die Tiere? Wären alle Tiere fort, so stürbe der Mensch an grosser Einsamkeit des Geistes.
Was immer den Tieren geschieht, geschieht bald auch den Menschen.
Alle Dinge sind miteinander verbunden.
Was die Erde befällt, befällt auch die Kinder der Erde."
Aus der Rede des Häuptlings Seattle - Suquamish/Duwamish - an den Präsidenten der Vereinigten Staaten - 1855
Naturspiritualität ist uralt und vermutlich die älteste und am längsten praktizierte Weltanschauung der Menschheit.
Zeitlich gesehen verbrachte die Menschheit 99 Prozent ihres Daseins auf der Erde als frei umherstreifende Wildbeuter, Jäger und Sammler. Das Weltbild dieser Zeitepoche war tief verwurzelt in der Naturspiritualität und hat uns Menschen bis heute geprägt.
Die 300 Jahre Industriegesellschaft, ja sogar die wenigen 1000 Jahre, welche die Menschheit in Sesshaftigkeit verbrachte, sind dagegen wie Eintagsfliegen.
Grundlegend in der Naturspiritualität ist, dass alles in der Natur, zu der auch wir Menschen gehören, beseelt und miteinander verbunden ist.
Jede Veränderung, jeder Eingriff in den Kreislauf der komplexen Zusammenhänge in der Natur (Oekosystem), hat deshalb einen direkten Einfluss auf alles Andere, was ist, verändert und zerstört schlussendlich das natürliche Gleichgewicht. Diese Tatsache lässt sich am desolaten Zustand unseres Planeten Erde und der uns direkt umgebenden Natur ziemlich genau ablesen. Zerstören wir die Natur, zerstören wir schlussendlich uns selbst.
Einige Ethnologen und Kulturanthropologen sind deshalb sogar zur Einsicht gelangt, dass die Naturspiritualität für den modernen Menschen überlebenswichtig ist.
Sie raten uns, bei den letzten *echten indigenen *Schamanen/Medizinpersonen/Hüter der Stammesüberlieferungen, die tief verbunden mit den Wurzeln ihrer Kultur und mit der sie umgebenden Natur sind, in die Schule zu gehen. Bei Ihnen könnten wir wieder lernen, was es heisst, in einem beseelten Universum, im Einklang mit allem, was ist, auf Mutter Erde zu leben.
*mit den schillernden, egobesessenen Neo-, Pseudo-, und Plastikschamanen, die an New-Age Kongressen und in teuren Workshops ihre Show abziehen, haben die Schamanen der traditionellen indigenen Naturvölker übrigens wenig gemeinsam.
Auszug aus der TV-Dokumentation auf Arte vom 03.01.2020 - Schamanen in der Mongolei – zwischen Kultur und Natur:
*Das Wort Schamane geht zurück auf sibirische Rentierhirten und bedeutet so viel wie «Derjenige, der weiss». Bei den Sibiriern und den Mongolen wird der Schamanismus als die Philosophie der Jäger angesehen. Der Schamane ist der Botschafter der Natur. Die Natur bietet den Menschen, in einer Beziehung aus gegenseitigem Respekt, ihre Ressourcen an. Die Menschen können nur das nehmen, was die Natur ihnen gestattet und was durch den Schamanen kommuniziert wird. Wenn die Menschen die Natur missbrauchen, zerstören sie das Gleichgewicht, was schliesslich zum Tod führt.
Ganbat Sandag – Schamane und Rentier-Hirte:
"Die Natur ist die Mutter und sie ist heilig. Früher hielten die Schamanen als Bindeglied zwischen Mensch und Natur Rituale ab. Die Schamanen sagten, welche Berge geschützt werden sollten, wo wir jagen durften, wo Pflanzen und Bäume nicht gefällt oder auch nicht berührt werden durften. Die Menschen respektierten dies und liebten die Natur und die wilden Tiere.
Der Schamane sagte wie viele Tiere gejagt werden durften. Wenn es zum Beispiel fünf wilde Tiere gab, so sagte er, dass wir nur eines von ihnen jagen durften und die Anderen verschonen mussten. Aus diesem Grund sind die Natur und die Tiere heute noch so wild wie einst.
Die Schamanen der Taiga haben diese schöne Tradition.
Es macht mich traurig zu sehen, dass unsere Art das Leben zu verstehen, für immer zu verschwinden scheint. Das ist schlimm! All dies sind die heiligsten Dinge für die Rentierhirten der Taiga und es ist entscheidend, dass diese Traditionen überleben."
Zaya Oldor – Rentier-Hirtin:
"Ueberall auf der Welt geht es nur darum, von der Natur zu nehmen, zu nehmen und nochmals zu nehmen, doch zurückgegeben wird nichts. Ich denke nicht, dass ich oder irgendjemand anderes versucht, etwas dagegen zu unternehmen. Ich denke auch nicht, dass wir der Liebe zur Natur viel Beachtung schenken. Jeder hat sie vergessen. Meiner Meinung nach würde es auch keinen grossen Unterschied machen, es ist sowieso schon zu spät."
"Dass die modernen Menschen vergessen hatten, dass man mit Steinen, Pflanzen und Tieren reden kann, dass sie nicht einmal mehr an diese Möglichkeit glaubten, das wollte und konnte ich ihm nicht erklären. Er wusste nicht, dass die Zivilisierten die Natur als unbeseelt ansehen und dass sie meinen, sie können sie beliebig für ihre Zwecke ausbeuten.
Auch wusste er nicht, dass es als Zeichen von Psychose oder bestenfalls als harmlose Spinnerei gilt, die Pflanzen, Tiere und Steine als „Verwandte“ anzusehen und mit ihnen zu reden, so wie es man mit menschlichen Verwandten tut.
Elkshoulder ist Erbe eines schamanischen Jägervolkes. Für ihn, wie auch für andere Schamanen, ist Spiritualität nie etwas Abstraktes und schon gar nicht etwas, was ausschliesslich zwischen den Deckeln eines Buches zu finden wäre. Die Geister, Dämonen und Gottheiten, mit denen der echte Schamane zu tun hat, befinden sich in den Felsen und Bächen, den Bäumen, Kräutern, den Vögeln und Tieren, die ihn umgeben. Das Heilige ist der Natur immanent, innewohnend.
Die Krankheit der modernen Menschen ist, dass sie nicht mehr mit der Natur verbunden sind, die sie umgibt."
© Copyright bei Wolf-Dieter Storl - www.storl.de - Auszug aus dem Buch - Ich bin ein Teil des Waldes - Die Botschaft des Cheyenne-Ältesten
"Für uns waren die grosse weite Prärie, die sanft gewellten Hügel und die sich schlängelnden Flüsse mit ihrem wirren Ufergestrüpp nicht "wild".
Nur für den weissen Mann war die Natur eine "Wildnis".
Er fürchtete sich vor den "wilden" Tieren und verachtete die "rohen" Menschen.
Uns war das Land vertraut wie ein Freund."
Luther Standing Bear - Oglala-Lakota
"Weisst du, dass die Bäume reden?
Ja, sie reden.
Sie sprechen miteinander und sie sprechen zu dir, wenn du zuhörst.
Aber die weissen Menschen hören nicht zu.
Sie haben es nie der Mühe wert gefunden, uns Indianer anzuhören und ich fürchte, sie werden auch die anderen Stimmen der Natur nicht hören.
Ich selbst habe viel von den Bäumen erfahren.
Manchmal etwas über das Wetter, manchmal über die Tiere, manchmal über den grossen Geist."
Tatanga Mani - Îyârhe Nakodabi
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